- 18.01.2021
Weiße Naturgewalt
Lawinenkommission Fieberbrunn
Wenn sich eine funkelnde Schneedecke in eine unkontrollierbare und mächtige Lawine verwandelt, ist das gleichermaßen faszinierend wie furchteinflößend. Menschen in alpinen Gebieten müssen seit Jahrhunderten mit dieser Naturgewalt leben. Die bergerfahrenen Mitglieder der Lawinenkommission Fieberbrunn kennen die Risiken und leisten mit ihrem Einsatz vorbeugende Schutzmaßnahmen.
Halb acht – ein Blick auf die Uhr verrät uns die Zeit. Gemeinsam mit drei Mitgliedern der Lawinenkommission befinden wir uns in der Nähe der Bergstation in Fieberbrunn. Martin Trixl, Markus Kogler und Alois Blaßnigg sind seit Jahren in Sachen Lawinenschutz im Einsatz und geben uns Einblicke in ihre Arbeit. Die Sonne zeigt sich von ihrer fast schon angeberischen Seite. Strahlend schön leuchtet sie am wolkenlosen Himmel und bringt die Schneelandschaft zum Glitzern. Die Hänge unter dem Gipfel des imposanten Wildseeloders sind so gut wie unverspurt und rufen förmlich zu Abenteuern abseits der Piste – wäre da nicht dieses große „ABER“, denn Lawinen sind bis heute die mächtigste Naturgewalt der Alpen. Um die Gefahr bereits im Vorfeld einzudämmen, sind 30 Mitglieder der Fieberbrunner Lawinenkommission – unter ihnen neun Sprengbefugte – in der schneereichsten Region Tirols im Einsatz. Alle fünf Jahre bestellt der Bürgermeister geeignete Menschen aus der Ortschaft für diese verantwortungsvolle Aufgabe. Zu den Auserwählten zählen ausschließlich Personen, die sehr gute alpine Kenntnisse vorweisen können und zudem eine umfassende Ausbildung absolviert haben. „95 Prozent unserer Truppe sind parallel auch für die Bergrettung aktiv. Diese Kombination ist äußert vorteilhaft für unsere Arbeit“, erklärt Martin Trixl, während sein Kollege Markus Kogler auf eine passende Stelle für die Durchführung eines Schneeprofils zeigt.
Dort angekommen sägt er gekonnt einen breiten Schneeblock aus der Schneedecke heraus und ertastet die verschiedenen Schichten. Je nach Wetter setzen sich die Kristalle anders ab, mal grobkörnig, mal fein. Mit Lupe und Schneeraster lässt sich die Form und Größe der Kristalle bestimmen. Anschließend schlägt Markus mit einer Schaufel auf den Block – so lange, bis sich Risse zeigen. „Auf diese Weise können wir Hinweise über die Lawinengefährdungen in mittelbarer Nähe rund um das Schneeprofil gewinnen“, erklärt uns der Lawinenexperte. Neben Schutzmaßnahmen im Skigebiet kümmert sich die Kommission auch darum, dass Straßen sicher befahrbar und Wohnobjekte bedenkenlos erreichbar sind.
Lawinenexperten im Einsatz
An Einsatztagen treffen sich die Kollegen bereits um 7 Uhr morgens in der Zentrale gegenüber der Fieberbrunner Talstation. „Nach der Lagebesprechung checken wir den Wetterbericht und die Messstellen. Bei intensivem Schneefall sind wir auch im Ort aktiv, ansonsten teilen wir uns für die Absicherung des organisierten Skigebietes auf, wobei wir nicht für das freie Gelände zuständig sind. Insgesamt haben wir 20 Sprengpunkte, bei schönem Wetter werden die Sprengungen mit dem Hubschrauber durchgeführt“, erklärt Alois Blaßnigg. Man unterscheidet vier verschiedene Arten von Lawinen: die Lockerschnee-, Gleitschnee- Staub- und Schneebrettlawine. Letztere ist für Wintersportler, die im freien Gelände unterwegs sind, besonders gefährlich. „Damit sich die Schneemassen tatsächlich lösen, braucht es einige Zutaten – ähnlich wie bei einem Rezept. Es muss eine Schwachschicht und eine gebundene Schicht vorliegen. Der Wind ist sozusagen die gefährlichste Zutat“, erklärt Markus Kogler, der neben seiner Mitgliedschaft im Ausbildungsteam der Tiroler Lawinenkommissionen auch als Ausbildungsleiter im Österreichischen Skilehrerverband tätig ist. 15 cm Neuschnee in Kombination mit Wind gelten beispielsweise als kritisch, während eine Situation mit 50 cm Neuschnee ohne Wind durchaus sicher sein kann. Ein Nordhang ist in der Regel immer gefährlicher als die Südseite des Berges. Als wesentlicher Faktor gilt die Steilheit des jeweiligen Geländes, denn ab einer Steigung von 35 Prozent startet die Lawinengefahr.
Sicherheit am Berg
Wer sich abseits der offiziellen Pisten bewegt, trägt eine hohe Verantwortung – für sich selbst, aber auch für andere. Eine gute Ausrüstung, die richtige Vorbereitung und alpine Kenntnisse sind Voraussetzungen, um das Risiko bestmöglich im Griff zu haben. „Heutzutage sind die meisten Sportler wesentlich besser ausgerüstet als in früheren Zeiten. Vor 40 Jahren hatte kein Mensch ein LSV-Gerät oder eine Schaufel im Rucksack. Trotzdem reicht eine gute Ausstattung bei weitem nicht aus“, warnt Martin Trixl. Ein Ausflug in das Gelände beginnt, bevor man das Haus verlässt. Wenn man sich nicht intensiv mit den möglichen Gefahren auseinandersetzt, kann es schnell riskant werden. „Es ist wichtig, klein anzufangen und sich schrittweise in steilere Gefilde heranzutasten. In verschiedenen Kursen kann man alle notwendigen Kenntnisse erlernen. Wer den theoretischen Teil beherrscht und trotzdem wenig praktische Erfahrung hat, sollte auf die Begleitung eines ausgebildeten Bergführers bestehen“, empfiehlt Markus Kogler. Der Trend zum Freeriden und Skitourengehen ist unaufhaltsam. Martin Trixl steht dieser Entwicklung positiv gegenüber: „Viele Hänge werden permanent befahren, dadurch sinkt auch die Lawinengefahr. Zudem haben wir im PillerseeTal grundsätzlich sehr gute Voraussetzungen. Unsere Region liegt relativ niedrig, bietet trotzdem jede Menge Schnee und wenig Wind.“
Checkliste für eine professionelle Lawinen-Ausrüstung im freien Gelände:
Must Haves
- Helm
- Schaufel
- Rückenprotektor
- LVS-Gerät
- Sonde
- Handy & Erste-Hilfe-Set
Should Haves
- Airbag-Rucksack
- Karte
- Kompass
- Höhenmesser
Text & Bild: (c) ofp Kommunikation / TVB PillerseeTal
Lo.La - Die Lokale Lawinenlage für den Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn
Bereits seit Winter 2014/2015 verwendet das Skigebiet Fieberbrunn das Werkzeug LO.LA* zur Ermittlung einer lokalen Lawinenlage für das Skigebiet Fieberbrunn. Seit dem Zusammenschluss zum Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn beurteilen die Lawinenexperten vor Ort die lokale Lawinensituation für den gesamten Skicircus (auf Basis der amtlichen Lawineninformationen) mit dem Werkzeug LO.LA*.
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