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- 22.10.2018
Zusammen was zusammen gehört
GASTARTIKEL VON MANFRED PERTERER - CHEFREDAKTEUR DER SALZBURGER NACHRICHTEN
Ich erinnere mich noch gut an unseren ersten Besuch in Saalbach-Hinterglemm Mitte der 60er Jahre. Wir Auwirtskinder durften mit dem Haberl Walter im Mercedes mitfahren und unseren Onkel Helmut Wimreiter, den späteren legendären WM-Skiklubobmann, in seinem Gasthof Mitterer besuchen. Von den großen Häusern im Ortszentrum tief beeindruckt, bekamen wir erstmals eine Ahnung davon, was mondäner Tourismus bedeuten kann: Tausende Gäste, damals nannten sie alle noch „Fremde“, Hotels, soweit das Auge reichte, Skilifte und eine schwindelerregende Seilbahn auf den stolz über dem Tal thronenden Schattberg. Uns war, als hätte es uns aus einem kleinen Tiroler Dorf in die große Welt über den Spielberg herübergeschneit.
Unsere geliebte Heimat Fieberbrunn mit seinen bodenständigen Wirtshäusern nahm sich dagegen bescheiden, um nicht zu sagen ärmlich aus. Für uns war der Reitllift bis dahin ein kleines Skiparadies gewesen und der neue Einser-Sessellift Streuböden ein Quantensprung. Und dann das. Wir waren ein wenig neidisch. Unsere Mutter, die Auwirts-Hilda, tröstete uns. „Bei uns ist es schöner. Wir haben den unberührten Wildseeloder, die Platte, das Reckmoos und den Gebra“, sagte sie. Wir wollten ihr glauben.
Knapp 25 Jahre später war Saalbach-Hinterglemm noch weiter vorn. Es schien uneinholbar. Auch Leogang war mittlerweile im Skicircus. Ich kam als Journalist der „Salzburger Nachrichten“ ins Glemmtal, um gemeinsam mit Kollegen mehrere Sonderausgaben zu produzieren. An den Abenden fuhr ich dann immer nach Fieberbrunn zum Übernachten, von der großen Welt in meine kleine.
Heute ist zusammen, was zusammen gehört. Die beiden Welten unterscheiden sich zwar noch immer gewaltig. Aber das macht ja gerade den besonderen Reiz aus. Es ist wie mit der Globalisierung und der Lokalisierung. Die Menschen leben gerne in beiden Sphären gleichzeitig. Sie lieben die unendlichen Weiten des Netzes. Und sie brauchen als Gegenpol die Erdung, um den Boden nicht unter den Füßen zu verlieren. Saalbach Hinterglemm Leogang und Fieberbrunn können beides anbieten, sozusagen als ungleiche Zwillinge.
Die über Jahrzehnte diskutierte Seilbahnverbindung ist mehr als ein Zusammenschluss zweier Skigebiete. Es ist ein Brückenschlag zwischen zwei Lebenswelten. Die traditionelle Ambivalenz der Beziehungen zwischen den Talschaften ist auf dem besten Weg einem echten Willen zur Partnerschaft auf Augenhöhe zu weichen. Es schmilzt die Angst der einen, übervorteilt zu werden, ebenso dahin wie die der anderen, einen Trittbrettfahrer am Hals zu haben. Leben und leben lassen. Hochtechnisierter Salzburger Premium-Wintersport und atemberaubendes Tiroler Natur-Skierlebnis, quasi Marcel Hirscher und Manuel Feller. Das ist tatsächlich lässig.
Text: Manfred Perterer
Foto-Sujet: Manfred Fuschlberger